Die Kreativitäts-AG
Bildquelle: Buchcover Hanser Literaturverlag, Banner Adobe Express
Eine ehrlich gemeinte, kreative Kultur mit Fortbestand, ist eine tägliche Vollzeitbeschäftigung. Und Edwin Catmull wollte als Unternehmer dafür sorgen, dass diese Kultur fortbesteht, auch wenn er das Unternehmen verlässt.
Egal ob man zwölf oder zwölfhundert Mitarbeiter zu führen hat. Ein klarer Nordstern hilft jedem als Orientierung. Die Vision von Ed Catmull war den »ersten computeranimierten Film« zu erschaffen. Der vierfache Oscar-Preisträger liefert hier eine spannende Reise von seinen Anfängen bei Pixar bis zum Transfer der kreativen Kultur zu Disney Animation.
Das Unternehmen steht, was nun?
Angefangen hatte alles mit George Lucas (Star Wars) und Lucasfilm. Mit Ed Catmull hatte George Lucas die richtige Person für die Leitung seiner neuen Computersparte gefunden. Alvy Ray Smith wurde gleichzeitig Leiter der Grafikabteilung bei Lucasfilm. Später soll George Lucas zu Ed Catmull gesagt haben, er hat ihn unter anderem wegen seiner »klaren Vision« eingestellt. Dann folgte Steve Jobs als Gesellschafter für Pixar. Anschließend übergab der Apple-Gründer Pixar an Disney als Gesellschafter.
Der Aufbau von Pixar verglich Ed Catmull mit dem Verlegen von Schienen. Nach dem Pixar stand war die Aufgabe »nur« den Zug zu fahren:
»Genügte es mir, einen Film nach dem anderen zu machen?«
Ed Catmull
Die nächste Herausforderung für Ed Catmull war es dann, Pixar vor dem Schicksal vieler anderer gewachsenen Unternehmen zu bewahren: einen existenziellen Fehler zu begehen und Pixar vor diesen Kräften zu bewahren. Dies sieht er als eine zentrale Aufgabe an.
Probleme gibt es immer und überall
Viele gewachsene Unternehmen machen existenzielle Fehler. Eine wichtige Fähigkeit ist diese Probleme schon vorher zu erkennen. Die Schwierigkeit dabei ist die Probleme zu entdecken und Klarheit zu bekommen. Aufgrund dessen sollten sich Manager immer mit den Grenzen ihrer Wahrnehmung beschäftigen. Gibt es etwas, das sie nicht sehen (können)?
»Dazu passt einer meiner Hauptglaubenssätze beim Management: Wenn man nicht versucht, das Ungesehene zu entdecken und es zu verstehen, ist man für eine Führungsposition nicht geeignet.«
Ed Catmull
Wer es sich dabei aber zu einfach macht und versucht einfache Antworten auf komplexe Fragestellungen zu bekommen wird scheitern. Die Vergangenheit ist nämlich genauso unklar wie die Zukunft. Das liegt vor allem daran, dass wir meistens nichts über die Einflüsse wissen, welche die Vergangenheit erschaffen haben.
Eine weitere Aufgabe einer Führungskraft ist es ein fruchtbares Umfeld zu erschaffen und zu erhalten. Und Umstände zu erkennen die dieses fruchtbare Umfeld zerstören wollen. Inspirationsquelle für Pixar war W. Edwards Deming: Jeder Mitarbeiter muss in der Lage sein ein Problem zu erkennen. Egal ob es an einer Fertigungsstraße in Japan oder bei einem Film in Kalifornien ist. Dabei geht handeln über sprechen.
Originalität entsteht an einem Ort zwischen bekanntem und unbekanntem. Um dort bleiben zu können braucht man für sich ein passendes mentales Modell. Dieses Modell unterscheidet sich je nach Rolle im Unternehmen. Aber Vorsicht, unser Modell kann die Wahrnehmung so verfälschen, dass wir die aktuelle Situation gar nicht wahrnehmen. Unsere eigenen Interpretationen machen uns zudem unflexibel. Bei sich nahestanden Menschen verstärkt sich dieser Effekt. Erweitert man diese Betrachtung auf ein Unternehmen mit vielen Mitarbeitern, sind viele (gegenläufige) Weltmodelle miteinander verwoben, die zu einem Stillstand führen können.
Kreativität ist mehrdimensional
Ein Mittel gegen diesen Stillstand ist eine kreative Kultur. Kreativität ist Teamarbeit und kein wundersamer Geistesblitz eines einzelnen Genies.
Der Kundennutzen steht über allen technischen Innovationen. Es sind Menschen die den Kundennutzen erschaffen. Diese Menschen stehen wiederrum über den dafür notwendigen Ideen. Denn nur Menschen schaffen exzellente Ideen. Das führt den Schwerpunkt jedes kreativen Unternehmens zu den Menschen. Ihren Arbeitsweisen, Fähigkeiten und Wertvorstellungen.
Eine gemeinschaftliche Arbeitsumgebung ist einer der wichtigsten Grundlagen dafür. Diese Umgebung muss zufällige Treffen fördern. Diese Umgebung muss natürlich wertschätzend sein. Das herausragende Beispiel dafür war ein langer Besprechungstisch für dreißig Personen bei Pixar. An diesem Tisch konnte sich der unterste Teil nicht mit der obersten unterhalten. In der Mitte saßen die Führungskräfte und es ergab sich automatisch eine Zweiklassengesellschaft. Als Ed Catmull dies erkannte ließ er den Tisch umgehend austauschen. Die Kommunikation war nun wieder gleichberechtigt. Die Kommunikationskultur unterstützt anschließend die Arbeitsumgebung. Denn die Kommunikationsstruktur ist nicht die Organisationsstruktur.
»Von jetzt an sollte jeder mit jedem auf jeder Ebene jederzeit sprechen können, ohne einen Vorwurf fürchten zu müssen.«
Ed Catmull
Ehrlichkeit und Offenheit gehören ebenfalls zu dieser Kommunikationskultur. Über Offenheit spricht man einfacher, als über Ehrlichkeit. Das Wort Ehrlichkeit durch Offenheit zu ersetzen erleichtert die Kommunikation. Offenheit zielt darüber hinaus auch auf eine falsche Zurückhaltung ab.
Ein geschützter Raum für Offenheit bei Pixar ist der Braintrust. Der Braintrust ist ein aus erfahrenen Mitarbeitern, nach konkretem Bedarf zusammengestellter Kreis an Personen. Dieser hat es zum Ziel ein offenes Feedback zu laufenden Produktionen zu geben. Die Macht erhält der Braintrust dadurch, dass er keine Weisungsbefugnis hat.
Ausprobieren und Experimentieren
Originalität ist anfangs nicht sehr hübsch. Deswegen bezeichnet Ed Catmull die frühen Demoversionen der Filme von Pixar als »hässliche Babys«.
Schon bei der neuen Sparte von Lucasfilm war Experimentieren eines der höchsten Güter. Die Experimente waren zielgerichtet um die Erstellung von Filmen zu unterstützen. Vor jedem Experiment steht die Angst, vor einem Fehlschlag. Selbst in einem kreativen Unternehmen findet man diese Ängste. Für die meisten sind Fehlschläge per se etwas schlechtes. Sobald man genauer hinschaut, stellt man fest, dass eine Überplanung zu genauso vielen Fehlern führt , wie wenn man einfach und direkt iterativ loslegt. Kurze Experimente sind eine kostengünstige Art Dinge auch mal in den Sand zu setzen. Es gibt wenige Menschen die freiwillige Fehlschläge erleben möchten - Andrew Stanton bei Pixar war ein solcher:
»Nimm ein möglichst niedriges Fahrrad, lege Ellbogen- und Knieschützer an, damit du keine Angst vor dem Hinfallen hast, und fahr los.«
Andres Stanton
Vor dem Experimenten sollte man sich das ausdrückliche okay aller Beteiligten holen. Aber nur wer etwas wagt kann gewinnen. Dagegen wird man bedeutungslos wenn man Fehler vermeiden will. Krisensituationen in Unternehmen können durch genau diese Bedeutungslosigkeit entstehen. Fehler werden geschehen und ein Manager muss das Ziel haben seine Organisation resilient zu machen. Die Organisation soll sich wieder schnell von Fehlschlägen erholen können. Kommt es zu einem Fehler, sollte man nicht den Menschen bestrafen, sondern auf den Prozess schauen. Die Mitarbeiter sollen sich auf allen Ebenen verantwortlich fühlen und Probleme selbstbewusst selbst lösen.
Wer am Ort des Geschehens ist (oder war) führt leichter Experimente durch. Für einen Film mit einer Ratte in Paris reiste ein Teil des Ratatouille-Teams nach Paris. Sie besuchten Restaurants oder wagten sich in die dortige Kanalisation. Am Beginn der Exkursion weiß noch niemand welche Erkenntnisse daraus entstehen:
»Man trifft nie auf Unerwartetes, wenn man sich an das Bekannte hält.«
Ed Catmull
Die Software-Abteilung von Pixar arbeitet mit persönlichen Projekt-Tagen. An zwei Tagen im Monat dürfen die Ingenieure mit den Ressourcen von Pixar an etwas beliebigen arbeiten, was sie interessiert. Dabei können die Mitarbeiter auch andere Arbeitsbereiche kennenlernen und erweitern ihren Horizont.
Fazit
»Die Zukunft ist kein bestimmter Ort – sondern eine Richtung.«
Ed Catmull
Das Aufrechterhalten einer kreativen Kultur ist harte und beständige Arbeit. Auf der Suche nach dem unsichtbaren kommen ständig Problem ans Tageslicht. Damit einen positiven Umgang zu finden ist die Aufgabe kultureller Führung.